„Es ist wichtig, wie man Entscheidungen trifft“
Was hat der Barnim von der LINKE-SPD-Regierung gehabt?
Im Gespräch mit der "OW"-Redaktion: Ralf Christoffers, Vorsitzender der Landtagsfraktion der LINKEN, er kandidiert am 1. September im Wahlkreis 14 (Bernau, Panketal).
Brandenburg verfügt über einen Landeshaushalt von rund 12 Milliarden Euro jährlich – was hat der Barnim in der Regierungszeit der LINKEN davon abbekommen?
Viele Entscheidungen betreffen natürlich immer das ganze Land: Dass wir den Betreuungsschlüssel in den Kitas verbessert haben, mehr Lehrer und mehr Polizisten ausbilden und eingestellt haben, das lässt sich schwer auf einzelne Städte und Gemeinden beziehen. Und das ist ja auch der Sinn der Landespolitik: Wir wollen dafür sorgen, dass die Chancen auf gute Lebensbedingungen in allen Regionen des Landes bestehen. Lobbyarbeit für eine bestimmte Region lehnen wir ab. Genauso wie Klientelpolitik: Die Landesentwicklung insgesamt ist wichtig. Dazu setzen wir Schwerpunkte, die natürlich im ländlichen Raum anders aussehen als in Großstadtnähe.
Dieses Abwägen ist sicher nicht immer einfach ...
Nein, dazu muss man sich in viele Sachgebiete vertiefen. Wird ein neues Problem von den Bürgerinnen und Bürgern benannt, dann muss analysiert werden, ob und in welchem Ausmaß es ein landesweites Problem darstellt – und dann sucht man nach Lösungen. Oft passiert dies still und unauffällig, gehört eben einfach zur Regierungsarbeit. Manchmal ist es nicht so einfach, vor allem, wenn es landesweit große Unterschiede gibt – und wenn Ungeduld und Empörung in einigen Regionen sehr stark sind.
Wie zuletzt bei den Straßenausbaubeiträgen?
Ja, am 12. Juni hat der Landtag nun entschieden: Das Land ersetzt rückwirkend zum 1. Januar 2019 die Bürgerbeiträge, bei denen die Kommunen Straßenausbaubeiträge erhoben hätten. Dazu wird das Land 50 bis 60 Millionen Euro bereit stellen. Damit werden vor allem Grundstückseigentümer entlastet, aber die Sozialstruktur des Landes rechtfertigt diesen Schritt.
Damit sind wir wieder bei unserer Region. Denn die dazugehörige Bürgerinitiative begann in Bernau – als der Landtag bereits ein halbes Jahr über eine Veränderung der Straßenausbaubeträge diskutierte. Deshalb nun noch einmal die Frage: Wie unterstützt das Land die Entwicklung im Barnim?
Zuallererst fällt mir der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) ein. Unser Großraum ist darauf angewiesen, dass er ausgebaut wird, denn die Verkehrsprobleme bestehen vielerorts: In Bernau, Panketal, Wandlitz, Werneuchen und Biesenthal deshalb, weil der Autoverkehr an seine Grenzen gerät, sowohl ökologisch als auch verkehrstechnisch. In den Gemeinden und Städten weiter nördlich geht es darum, dass überhaupt ÖPNV zur Verfügung steht.
So hat die LINKE im Land mit dafür gesorgt, dass die 2006 stillgelegte Eisenbahntrasse zwischen Joachimsthal und Templin im Dezember 2018 endlich wieder in Betrieb genommen wurde.
Der 10-Minuten-Takt bei der S-Bahn zwischen Buch und Bernau ist seit Jahren ein Dauerthema – lange hat es gedauert, bis das Land Brandenburg mit Deutscher Bahn, VBB und Land Berlin eine Einigung erzielte, denn jeder Partner hatte andere Interessen im Blick. Nun müssen noch 200-Meter Gleis gebaut, zusätzliche Züge gekauft werden, der Markt dafür ist leer gefegt. Mehr als 60 Einzelmaßnamen sind noch nötig, damit es den 10-Minuten-Takt geben kann. Für 2022 hat das Land diesen nun beim VBB bestellt.
Auch die beiden Verkehrsachsen von Berlin aus Richtung Wandlitz und Werneuchen sollen verdichtet, die Heidekrautbahn verlängert werden. Das könnte schon schneller gehen – aber noch gibt es Proteste von Anwohnern, die den Verkehrslärm fürchten. Also: Abwägen, diskutieren, Lösung finden, entscheiden.
Beim Thema Verkehr kommt man unweigerlich auf die unendliche Geschichte des Fahrradweges zwischen Schwanebeck und Bernau ...
Das ist wirklich schlimm: Jahrelang ignoriert, dank der Bürgerinitiative „Pro Radwegebau“ immer wieder thematisiert, dann habe ich dafür (noch als Wirtschaftsminister) EU-Mittel organisiert, sodass 2017 nach 10 Jahren Engagement endlich der Bau begann – und nun gibt es immer noch bauliche Probleme. Da verstehe ich, dass die Bürgerinnen und Bürger mit dem Kopf schütteln.
In Bernau werden immer mehr Wohnungen gebaut, die noch mehr Verkehr mit sich ziehen. Wie kann man das in Einklang bringen?
Bernau hat es gewollt – und ich habe es unterstützt: Dass Bernau eine von 3 Modellstädten in Brandenburg wird, in denen erprobt wird, wie sozialer Wohnungsbau derzeit gefördert werden kann. Das war vor 3 Jahren – wir erinnern uns: Es gab keine freien Wohnungen mehr, immer mehr Großstädter drängten wegen der hohen Mieten von Berlin nach Bernau. Die Infrastruktur ist nun am Limit – und damit meine ich nicht nur den Verkehr. Ich will deshalb, dass Bernau Geld für den Bau einer Kultur- und Sportmehrzweckhalle erhält. Auch die Sanierung des Freibades in Bernau-Waldfrieden wurde vom Land unterstützt und die Anerkennung des Bauhausdenkmals als Weltkulturerbe. Hier finanziert das Land die Errichtung des Besucherzentrums mit.
Es gibt noch viele weitere Beispiele – eines möchte ich aber gern erwähnen: Es ist wichtig, mit welchem Anspruch und welchen Werten man Entscheidungen in der Landespolitik trifft. Der Abwägungsprozess – immer gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern, immer gemeinsam mit Befürwortern und Gegnern, der ist hart. Sich dem zu stellen, für einen Ausgleich zu sorgen, Kompromisse zu finden, Entscheidungen zu treffen und sich zu korrigieren, wenn man merkt, dass man sich geirrt hat – dafür möchte ich noch einmal im Landtag arbeiten und trete im Wahlkreis 14 (Bernau, Panketal) an.